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Loveparade 2010 - 15:13 Uhr

Loveparade 2010 - 15:13 Uhr

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Kirsten Candorra


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Loveparade 2010 - 15:13 Uhr

Eigentlich sollte dieses Foto in einer anderen Sektion erscheinen. Als ich es aufgenommen habe, war die Welt noch in Ordnung. Die Ruine der Duisburger Güterhalle als Hintergrund für feiernde Menschen bei freundlichem Wetter. Eigentlich eine wunderschöne Szenerie.

Ich befinde mich genau über dem Eingangsbereich, der knapp zwei Stunden später für 19 Menschen zur Todesfalle wird. Links die Treppe zum Stellwerk, an der die Katastrophe möglicherweise begann. Die Rampe in der Mitte - der einzige Zugang für das normale Volk - wirkt noch nicht überfüllt, und die Treppe wird noch nicht als Abkürzung, Rück- oder Fluchtweg benutzt.

Man sieht die massiven Absperrungen und die Polizeipräsenz. Ein merkwürdiger Beigeschmack von Ausnahmezustand, aber trotzdem ist die Stimmung gut. Das Gelände ist keineswegs gefüllt, ich habe genügend Möglichkeiten, hier ganz gemütlich einige Fotos zu machen und die Stimmung einzufangen.

Als ich das Gelände gegen 16:30 Uhr genau durch den Bereich 10 Meter tiefer wieder verlasse, kommt es hier bereits zu ersten Zusammenstößen einer größeren Menge, die das Gelände verlässt und einer kleineren, die es noch betreten möchte. Hierbei werden neben der Treppe zum Stellwerk auch einer der gegenüberliegenden Lichtmasten sowie eine Art Gerüst unmittelbar unter dem Fotostandort benutzt. Die Treppe besitzt ein Geländer und ist keineswegs instabil oder ungesichert, wie in einigen Pressemeldungen behauptet wird; einzelne Personen könnten hier problemlos hinaufsteigen. Leider verhält sich die Polizei hier nicht immer kooperativ. Manchen wird die Treppe hinaufgeholfen, andere werden unter leichter Gewaltanwendung von Ordnungskräften hochgedrückt oder offensichtlich völlig planlos auch wieder hinuntergedrängt. Vereinzelt kommt es zu Rangeleien. Einige Personen sind geschwächt oder möglicherweise schon bewusstlos.

Die Stimmung gegen 16:30 Uhr ist bereits gereizt. Bei einigen Teilnehmern spielt Alkohol sicher eine Rolle. Hinweise oder Warnungen über Megaphone etc. gibt es zu diesem Zeitpunkt keine! Der kritische Bereich ist allenfalls 10 Meter lang und liegt zumindest zu diesem Zeitpunkt nicht etwa in der bekannten Bahnunterführung ("Tunnel"), sondern am vorderen Ende der Rampe (Bildmitte), genau dort, wo die Einmündung zum Tunnel ist. Dort stoßen die Besucherströme aus mehreren Richtungen aufeinander. Es ist bereits jetzt nicht angenehm, dort noch hindurchzukommen.

Später, nach einer Odyssee rund um das völlig abgeriegelte Bahnhofsviertel und durch den größtenteils gesperrten Hauptbahnhof, erreiche ich einen Bus, denn die Züge fahren nicht mehr - wegen "Personen im Gleis". Im Bus kommt die Meldung aus dem Radio, dass es soeben 10 Tote gegeben hat. Die Zahl steigt später auf 19 ...

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