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44 0104 mit Eilzug E 802 Leipzig und zurück

44 0104 mit Eilzug E 802 Leipzig und zurück

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44 0104 mit Eilzug E 802 Leipzig und zurück

Freitagsfoto !
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Nicht gattungsgerechte Bespannung
Nicht gattungsgerechte Bespannung
Ralf Göhl

Winter mit Schnee ist heute mehr ein Laune der Natur wie wir es z. Z. erleben.
Nicht so am 8. Dezember 1980 da kam er zur rechten Zeit mit Schnee daher. Eigentlich in Maßen dafür anderseits mehr mit eisiger beißender Kälte.

Hier nun rückblickend ein kurzer Abriss.
Also zum Wochenende damals war ich voll in den Nachtschichten. Wo es so richtig warm bei den merklichen Minusgraden draußen nur in den Kantinen und anderen diversen Plätzen war.
Wie sollte es auch anders seien Frost und Schnee sind nicht gerade ein Freund der Eisenbahn. Daran hat sich bis heute wohl nichts geändert. Damals wie heute und bei der ach so modernen Eisenbahn.
Denke ich allein an die Zugausfälle der DB würde sich eine Gegenüberstellung zu Gunsten der damaligen DR sicher herausstellen.

Doch lassen wir das kehren wir zurück zum Jahresende des Winters 1980.
Freitag 5. zum Sonnabend 6. Dezember.
Einen Planheizer war da in der verrückten Zeit genauso Luxus wie eine Planlok. Mit meinen jungen Heizer Kollegen hatten wir in der Nachtschicht gleich zwei Loks der BR 44. Statt laut Plan die erste Hälfte eine 44 und dann die 01er.
Zuerst drückte der Lokleiter uns den Schüsselbund der 44 0567 in die Hände. Wie die Nummer verrät ein Öler, früher in meiner Heizer Zeit wurde die Tour noch mit Kohle gefahren.
Da ging der Ärger zwischen Meister und Gesellen bei diesen missliebigen Außentemperaturen schon los.
Fahren wir nun Triptis mit den Nah Güter Schornstein voraus oder nicht ?
Von Neustadt an musste man mit Schneeverwehungen rechnen der Wind pfiff dazu meistens mächtig von der rechten Seite her.
Beim Öler alles diskussionslos, da in Triptis nicht gedreht werden konnte, natürlich Tender voran.
Wärme kam ja sowohl vom Tender als auch von Stehkessel her. Der Vorhang blieb während der Fahrt selbstverständlich geschlossen.
Ganz anders bei den 44er Kohleloks wo dein Heizer am liebsten möglichst vorwärts Schornstein voran fahren wollte. Bedingt dadurch das die Steigungen in Richtung Triptis viel länger war. Folge dessen dann zurück nach Saalfeld nur das kleine Stück zwischen Oppurg und Könitz er der Kälte ausgesetzt war. Die Nahgüterzüge in Neustadt, Pößneck, Könitz sowieso einen Rangierhalt im Plan enthielten.
Alles wie gehabt gleicher Zug, Lok nur anderes Datum und Blickwinkel
Alles wie gehabt gleicher Zug, Lok nur anderes Datum und Blickwinkel
Ralf Göhl

44er, Nacht und Schnee = heute leider Mangelware
44er, Nacht und Schnee = heute leider Mangelware
Ralf Göhl

Dagegen zumal in der Nacht war es für den Lokführer weniger prickelnd besser anstrengend. Denn er war dazu verdonnert den Zug immer wieder im Zaum zu halten. Musste zum Fenster raus schauen dabei den Hals zu sehr verdreht und immer den kalten Winde ausgesetzt. Als Heizer öffnete man nur mal in einer Rechtkurve kurz das Fenster um die Stellung der Signale auszumachen. Rief den Meister das Signalbild zu dann flog das gut geschmierte Schiebefenster eiligst wieder zu.
Die Heizer Seite war die wärmere. Allein wegen der dort vorhandenen Dampfstrahlpumpe und den Boschöler. Deren Heizung auf volle Pulle eingestellt dieses Bauteil zum Ölradiator umfunktionierte.
An der Führerhaus Rückwand unter den Klappsitz die Rückenheizung ihr übriges tat. Strahlte ebenfalls mollige Wärme dir entgegen. War die zu weit eingestellt konnte es vorkommen das du auf einmal in einer Dampf- Sauna standest.
Fährt du als Lokführer hat man das bessere Los gezogen wenn der Schornstein Richtung Saalfeld zeigt. Dein Bremsgeschäft sowie die Stecken Beobachtung geht auch ganz gut wenn du auf deinen vier Buchstaben sitzt. Diese Stellung war eigentlich nie mein Fall. Bin immer lieber im stehen gefahren. Doch wenn es dir die Löffel vor Kälte bald weg haut, die Nase rot wird dazu der Bart immer wieder Eiszapfen ansetzt zwingt dich die Natur nieder auf deinen Klappsitz.
Die 44 0567 wurde uns gleich aus den Händen gerissen in Saalfeld. Schnell vorher etwas Wasser nachgenommen an dem Wasserkran den inzwischen wohl jeder Eisenbahnfreund kennt. Gleich durch gedonnert bis unter die Brücke. Von vorn auf die Drehscheibe wo das neue Personal dort die elektrische Heizung belagerte. Die Jungs kamen unlustig angelatscht und zum Führerstand hoch getrampelt. Dafür waren wir schneller wie ein Wiesel unten auf der Drehscheibe. Begaben uns sofort durch den Lokschuppen auf dem Weg zur Lokleitung.
Wo uns schließlich 1.45 Uhr folgendes verkündet wurde.
Das wir den zweite Teil unserer Nachtschicht ohne die Plan vorgesehene Kohle 01 sondern mit der 44 0280 bestreiten sollten.
Es gab dabei immerhin eine Gute und eine weniger Gute Seite.
Positive wir konnten das Programm KWF (Kohle, Wasser, Feuer) vergessen, abschreiben.
Arbeiten, zumal beim Punkt Feuer, die einen ins Schwitzen bringen aber ebenso schnell eine Erkältung verursachen könnten fielen schon mal weg.
Bei solchen Minusgarden suchte der Mensch aus Überlebenstrieb oder Bequemlichkeit immer irgendwo im der Wärme sich zu verkriechen.
Also ab die Kantine denn unsere Lok war noch auf der Saalebahn irgendwo in Aktion.
Gegen 4.00 Uhr lief der Ölofen ein den wir sofort besetzten um bis zum Feierabend zwei Arbeiter- Personenzüge im Bahnhof so einzuheizen das ihnen der Schweiß recht und links an den Fenstern runder lief. Einer ging auf die Saalebahn der andere nach Gera.
Auch die 44 0280 war begehrt wie warme Semmeln bei dem derzeitigen Lok-Monopolie, weg war sie.
Nichts wie Heim ins Bett. Eine schnelle Runde Schlaf damit die Familie noch etwas von Restsonnabend und mir hat.
Abends 20.00 Uhr zum dritten und letzten male Nachtwächterdienst.
Damit keine Langeweile aufkommt zur Abwechslung diesmal mit der Altbau 01 2114.
Vorheizen was das Zeug hält bis der Bahnhof im Nebel versinkt. Anschließend wäre noch von Könitz einen Dreck- Zug nach Camburg fahren dran gewesen zurück dann am Morgen den P 4001.
Da war das Spiel welche Lok nehmen wir für welchen Zug und wohin schon erneut im vollen Gange.
Alles kam Situationsbedingt anders. Wir mussten einen 88448 bestehend aus vier leere Kesselwagen schleunigst nach Großkorbetha abfahren. Die 88er Nummern liefen unter, Dienstzug mit Wagen für Sonderzwecke Leistungen für Bw, Raw und Dritte. Wenn ich mich richtig erinnere war die Kacke irgendwie wohl voll am dampfen der Diesel wurde knapp.
Mit der sagenhaften Last waren wir eine bessere Lz- Fahrt also kaum beansprucht. Entsprechend gemütlich zuckelten wir auf der Saalebahn dahin nach Großkorbetha. Mit der Lok allein fröstelnd Tender voran ging es nach Camburg zurück. Drehen und im ursprünglichen Plan den P 4001 zurück nach Saalfeld Feierabend.
Sonntag Vormittag gegen 10.00 Uhr klapperte ich über verharschte Straßen bog endlich rechts ab mit meiner Pappe in die Plattenbausiedlung am Teich. Wo die beiden schwarzen Schwäne Max und Moritz auf ihre Insel in der Mitte kaum noch etwas eisfreies Wasser vorfanden.
Nichts wie hoch in unser fast überheizte Wohnung wo Frau und Tochter bereits auf mich warteten. Bis zum Mittagessen hielt ich noch durch dann jedoch ab zum kurzen Matzen- Horchdienst in mein Nest.
Kaffeeduft durchzog bereits die ganze Wohnung. Bis ins Schafzimmer da überwand ich mich wohl oder übel. Auch wenn es schwer fiel krabbelte aus meine warmen Höhle heraus. Fix kaltes Wasser übers Gesicht verteilt, die Zähne geputzt ließen meine Lebensgeister wieder zu sich kommen.
Der Tisch war gedeckt musste mich nur bequem platzieren sowie normalisieren.
Jetzt waren erst mal zwei wohlverdiente Tage Ruhe laut Plan angesagt.
Bei all dem war Glücklicherweise mal kein Personal- Lokleiter oder der Lokleiter selbst an mich herangetreten mit der Bitte einen Sonderdienst zu fahren.
Ehrlich gesagt so gut es ging bin ich den Leuten auch aus dem Wege gegangen.


Montag früh weiterhin Arschkalt. Ralf allein zu Haus, die Frau pflichtbewusst am arbeiten und die Tochter fleißig die Schulbank drücken. So kam ich auf den dummen Gedanken, oh wenn ich gewusst hätte, mich nur mal kurz den winterlichen Unannehmlichkeiten auszusetzen. Verbotenerweise am heller lichten Tag schon mit ein wenig Schuldgefühl über die Gleise zu springen. In Stellung gehen wenn der E 802 mit der 01 planmäßig durchdonnern sollte. Alles festzuhalten und mit viel Glück ist vielleicht sogar eine Altbau 01 am Zug ?
Könnte ich mir bei der knackichen Kälte allein schon Abdampf mäßig in der weißen Winterlandschaft gut vorstellen.
Also bin ich zielstrebig bei der Halbschranke in Stellung gegangen. Meine inzwischen eiskalten Löffel schnurstracks in Richtung Bahnhof ausgerichtet um den Achtungspfiff vor der Abfahrt mitzubekommen. Dem Später dann die starke Blasrohrmusik auf dem Fuße folgen würde. Die Uhr zeiget bereits zweiundzwanzig Minuten nach 10 Uhr an. Alles blieb Friedhofsstill bis auf einen Trabbi der über den Bahnübergang hinter mit holperte. Langsam und stärker werdend wurden meine Füße unangenehm kälter. So fing ich nun an neben dem Gleis ständig mal ein Stück hin und her zu trampeln. Das in einer Tour als wenn dir Blase drückte doch du keine Möglichkeit findest zu entleeren. Auch das noch, die Finger in den Sonntagsausgehlederhandschuhen wurden ebenfalls arg klamm.
Friedhofsruhe immer noch sei dem ein Trabbi hinter mir mit seien typischen Reng, Peng, Peng unterbricht für einen Moment die Stille.
Dreiviertel 11, da war ich nah dran aufzugeben. So in etwa wie letztlich in Amerika der geflohene Sträfling welcher vor Kälte lieber wieder in den Knast zurück ging.
Fünf Minuten vor 11 ging mir dann durch den Sinn da sei irgendwas passiert Schienenbruch oder sonst was ? Abflug heim in die warme Platte.
Ich glaubte schon an Halluzination schwach da einen Pfiff gehört zu haben. Instinktiv wie ein Richtmikrofon drehte ich ungläubig meine Lauscher dort hin wo ein Zug kommen könnte. Nein da war doch wirklich etwas oder nicht ?
Ja doch schon da war was, nur hört sich das überhaupt nicht nach der Aussprache einer anfahrenden 01 an ?
Oh das gibt es doch nicht vor dem Eilzug, ja genau Drillingsschläge hallten mir entgegen, je schneller der Jumbo in Fahrt kam um so mehr ging alles in ein wild gewordenes Nuscheln über.
Dann die Gewissheit, ihr typisches Angesicht mit dem hoch liegenden Windleitblechen einer DR 44er genau so was raste wie entfesselt auf mich zu. Leicht zitternd entweder vor den was da sich gerade zwischen Lok und meiner Kamera abspielte oder war es die Kälte. So hielt ich einfach drauf und drückte zweimal ab.
Etwas Unschärfe bestätigen das leichte Zittern warum auch immer. Das zweite Foto kurz davor als der Zug mich in seinen Sog von Wind, Dampf und Schnee einhüllte wurde noch einen Tick schlechter.
Dafür vergesse ich das Erlebnis als ganzes mit der ungewöhnlichen nicht Gattungsgerechten Bespannung der Dienstältesten Saalfelder 44er bei eisiger Kälte am Schienenstrang wohl nie mehr.
Übrigens in der Platte ganz rechts im Bild. Mit dem zu sehenden blau unter dem Fenster ganz oben nur eben neun Fenster weiter nach rechts da wir damals zuhause.

Euer Ralf

Kommentare 10

  • BR 45 17. Januar 2014, 3:54

    Sorry Ralf, das muss ich wohl im Text überlesen haben.
    Interressant auch Dein Link zu DSO.
    Danke für diese aussergewöhnliche Geschichte! Ein Öljumbo aus Saalfeld mit Eilzug in Leipzig ist doch ein bisschen sureal aber es beweisst wieder mal, bei der Eisenbahn gibt es nichts, was es nicht gibt ausser man beweisst das Gegenteil-Klasse!
    Grüsse Max
  • Michael PK 10. Januar 2014, 20:18

    Eine 44er vor einem Eilzug,mit den passenden Zutaten-km Stein und Telegrafenmast,dazu noch Plattenbau.Eisenbahnerherz,dies ist eine Zeitreise vom Besten.Ralf ein schönes Wochenende und hoffentlich ist bald wieder der nächste Freitag
  • Ralf Göhl 10. Januar 2014, 20:09

    @ Nun aber machst Du Witze ?
    Es steht doch alles im Text.
    Die 44er fuhr natürlich das Eilzugpaar Leipzig und zurück.
    Das Beweisfoto hat gar sogar Paule in Leipzig geschossen.

    http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,6717422
    Er war es der mich auf das Freitagsfoto mit der 44 0104 erst brachte.
    Gruß Ralf
  • Roni Kappel 10. Januar 2014, 14:00

    Hallo!

    Toll, wie ein Gemälde! :-)

    lg,
    Roni
  • makna 10. Januar 2014, 13:11

    Das war ja nun ein "Freitags-Roman" - toll und spannend !!!
    Die Kälte, die wir heute vermissen, voll beim Lesen ins
    Gedächtnis geholt, oder besser noch: die "Sauna" auf
    der Heizerseite des Ölers ... ;-)))
    Und dann aber Dein Warten in der Kälte - bewundernswert
    Deine Geduld, die in letzter Minute belohnt wurde !!!
    Der Drillingsklang der 44er, der "in ein Nuscheln" überging
    - so plastisch hat das noch keiner beschrieben ! Paßt !!!
    Wie auch das ganze Motiv - absolut stimmungsvoll !!!
    BG Manfred
  • BR 45 10. Januar 2014, 12:49

    Schönes Freitagsbild mit herrlichem Text
    Weisst Du den Grund für die aussergewöhnliche Bespannung und wie weit die 44er mit dem Eilzug hetzen musste ??? Bestimmt nicht bis Leipzig, oder ?
    Grüsse Max
  • zwiebelzug2 10. Januar 2014, 11:33

    Sorgen, Nöte und Strapazen die die heutigen Lokführer nicht mehr kennen.....
    Feine Doku

    Grüsse
  • Andreas Leipoldt 10. Januar 2014, 11:13

    wieder ein sehr schöne Aufnahme von Dir und die Geschichte natürlich auch VG Andreas
  • Dieter Jüngling 10. Januar 2014, 11:11

    Es ließt sich wie ein Roman. Man fühlt sich fast hineinversetzt, in deine Rolle als "Meister" auch wenn man das so selbst nie erlebt hat.
    Aber ich konnte es oft nachvollziehen, wenn deine Kollegen endlich den Oberhofer Bahnhof erreicht hatten und zur Bremsprobe "in der "Ecke" am "Winterbahnsteig" Pause machen konnten.
    Manchmal war auch ein Käffchen in meiner Aufsichtbude drin.
    Gruß D. J.
  • Klaus Kieslich 10. Januar 2014, 10:58

    Eine sehr gute Präsentation
    Gruß Klaus

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